Swen: (DIE MEINUNG ANDERER) Internet bringt dramatischen Wissensverlust

Moin Forum,

auch wenn der ein oder andere studierte Philosoph sich schon für diese Jahr verabschiedet hat, hier etwas Heiteres aus der Welt der Geisteswissenschaften (dpa-Meldung von gestern). <g> Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, der Mann hat es ernst gemeint.</g>

Swen

<schnipp>

Philosoph: Internet bringt dramatischen Wissensverlust

Witten (dpa) - Die zunehmende Verbreitung des Internet führt nach Einschätzung des Philosophen Walther Zimmerli zu einem gravierenden Wissensverlust der Menschen. «Wir entwickeln uns nicht in eine Wissensgesellschaft», sagte der neue Präsident der Privat-Universität Witten-Herdecke am Dienstag in einem dpa-Gespräch. «Zwar haben wir immer besseren Zugang zu Datenbanken, aber wir verlieren dabei Teile unseres Wissens.»

Da immer mehr Daten im weltweiten Netz zu finden seien, brauche der Einzelne immer weniger Informationen abrufbar im Kopf zu haben. «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.» Die enormen Langzeitfolgen des Internet für die Menschen würden bislang zu wenig diskutiert,
kritisierte der Fachmann für angewandte Philosophie. Bereits heute nutzen nach Expertenschätzungen über acht Millionen Deutsche die Datenautobahn.

«Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet», sagte Zimmerli. Die Halbwertszeit von Geschriebenem werde immer kürzer. Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten, Politiker und Journalisten hätten bereits den Überblick über die ständig anschwellenden Datenmengen in ihren Fachgebieten verloren. «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.

Unternehmen der Informationstechnologie bekämen dadurch immer mehr Macht. Mit Suchmaschinen und Internet-Diensten für einzelne Branchen und Wissenschaften machen sie das Internet für viele Anwender erst nutzbar. «Der Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden», warnte Zimmerli.

<schnapp>

  1. <b> Ohne dir nahetreten zu wollen aber der Mann hat Recht !! </b>

    Moin Forum,

    auch wenn der ein oder andere studierte Philosoph sich schon für diese Jahr verabschiedet hat, hier etwas Heiteres aus der Welt der Geisteswissenschaften (dpa-Meldung von gestern). <g> Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, der Mann hat es ernst gemeint.</g>

    Swen

    <schnipp>

    Philosoph: Internet bringt dramatischen Wissensverlust

    Witten (dpa) - Die zunehmende Verbreitung des Internet führt nach Einschätzung des Philosophen Walther Zimmerli zu einem gravierenden Wissensverlust der Menschen. «Wir entwickeln uns nicht in eine Wissensgesellschaft», sagte der neue Präsident der Privat-Universität Witten-Herdecke am Dienstag in einem dpa-Gespräch. «Zwar haben wir immer besseren Zugang zu Datenbanken, aber wir verlieren dabei Teile unseres Wissens.»

    Da immer mehr Daten im weltweiten Netz zu finden seien, brauche der Einzelne immer weniger Informationen abrufbar im Kopf zu haben. «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.» Die enormen Langzeitfolgen des Internet für die Menschen würden bislang zu wenig diskutiert,
    kritisierte der Fachmann für angewandte Philosophie. Bereits heute nutzen nach Expertenschätzungen über acht Millionen Deutsche die Datenautobahn.

    «Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet», sagte Zimmerli. Die Halbwertszeit von Geschriebenem werde immer kürzer. Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten, Politiker und Journalisten hätten bereits den Überblick über die ständig anschwellenden Datenmengen in ihren Fachgebieten verloren. «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.

    Unternehmen der Informationstechnologie bekämen dadurch immer mehr Macht. Mit Suchmaschinen und Internet-Diensten für einzelne Branchen und Wissenschaften machen sie das Internet für viele Anwender erst nutzbar. «Der Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden», warnte Zimmerli.

    <schnapp>

    1. <b> Ohne dir nahetreten zu wollen aber der Mann hat Recht !! </b>

      Ich habe nichts gelesen, was ein solches Urteil rechtfertigt. Ich find es allemal wichtiger Wissen managen zu koennen als auswendig zu lernen. Taeglich angewandes Wissen wird man sowieso im Kopf haben. Ausserdem glaub ich nicht, dass man frueher mehr wusste. Vielleicht hat man in der Schule mehr Gedichte auswendig gelernt, aber mehr auch nicht. Seien wir doch ehrlich - ein Mensch vor 60-70 Jahren hat weit weniger gewusst als wir. Abgesehen davon ist es meiner Meinung nach bei der heutigen Informationsdichte notwendig, dass man kaum benutzes Wissen auch wieder aus dem Kopf verbannt.

      Viele Gruesse, Thomas Hieck

    2. <b> Ohne dir nahetreten zu wollen aber der Mann hat Recht !! </b>

      Philosoph: Internet bringt dramatischen Wissensverlust

      "Wir entwickeln uns nicht in eine Wissensgesellschaft [...] Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab."

      • Die Gesellschaft als solche weiß trotzdem mehr. Und das ist es, was die Wissenschaften weiterbringt - meist zum Wohle der Menschen (z.B. Medizin). Welchen Wert in sich soll denn auswendig gelerntes Wissen haben? Je mehr abrufbar ist, desto mehr kann sich der Mensch mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen. Und dafür ist das Leben ja da, oder?

      "Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet."

      • Nein? Das Wissen, was man nicht findet, war auch ohne Internet kaum zugreifbar. Beispiel: Enzyklopädien gibt's auch online; wer hingegen den Namen der Oma des thailändischen Regierungschefs sucht, hatte auch zuvor schon Probleme - aber durch das Internet erst eine Chance, dies auch ohne tausend Telefonate herauszufinden.

      "...den Überblick über die ständig anschwellenden Datenmengen in ihren Fachgebieten verloren."

      • Wenn die schwierige Überblickbarkeit des Weltwissens am Pranger steht, so ist diesem Herrn Zimmerli nicht zu helfen: Er kritisiert den evolutionär gegebenen menschlichen Forschungsdrang. Das Internet ist dazu ja "nur" ein Katalysator. Sollte Wissen nicht zur Anwendung dienen statt zum Wissen pur? Und ist es da nicht einfach hinzunehmen, wenn sich die Realität als zu komplex für einen einzelnen Menschen erweist?

      "Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden."

      • Vieles _kann_ getan werden. Werbefinanzierte Services werden aber einen feuchten Kehricht in dieser Richtung tun; grade weil es kein Monopol diesbezüglich gibt. Notfalls wird eben eine von sonstigen Interessen unabhängige "öffentlich-rechtliche" Suchmaschine eingeführt. Aber so weit sind wir noch lange nicht.

      Außerdem vergißt der Herr Präsident, daß es Millionen bis Milliarden Menschen gibt / geben wird, die allein durch das Internet an Informationen kommen können, die wir für selbstverständlich erachten: Unabhängige Berichterstattung, Allgemeinwissen und Meinungen anderer.

      Herr Zimmerli möchte also das Internet abschaffen, damit
      a) jeder möglichst schwierig an Informationen kommt
      b) Wissenschaftler sich jeden Tag ob des vor 20 Jahren gelernten Wissens auf die Schulter klopfen können
      c) die Menschheit auf dem Stand von 1990 stehengeblieben wäre

      Nein, danke!
      Urs

    3. <b> Ohne dir nahetreten zu wollen aber der Mann hat Recht !! </b>

      Ich hab' schon immer gesagt: nicht die Erfindung des Buchdrucks war die größte Fehlentwicklung sondern die Schrift als solches. Ohne Schrift °muß° man alles auswendig lernen!

      Aber mal im ernst: ich stimme zu - wir wissen immer mehr über immer weniger. Dies liegt aber imvho schlicht und ergreifend an der Menge des Wissens (oder besser: der Information / der Daten). Es ist nur eine konsequente Entwicklung, daß die Wissen-schaft Mittel entwickelt, diese Menge des Wissens zu handhaben und aktuell vorzuhalten. Auch wenn es eine Binse ist: das Internet ist °nicht° enstanden, damit man das Fernsehprogramm des Tages abrufen oder eine Pizza bestellen kann, sondern als ein Mittel, mit denen Wissenschaftler ihr Wissen mit anderen teilen können. (ok, ok, vorher waren da die Militärs ... aber bei denen ging es im Grunde um das Gleiche).

      Den Ezyklopädisten der Aufklärung wäre das Herz geschmolzen, hätten sie solch ein Mittel wie das Internet zur Hand gehabt! (zur Info: Enzyklopädisten = philosophische Richtung zur Zeit der Aufklärung ((= ca. ab Ende 17tes Jahrhundert)), die das Ziel hatte, das Gesamtwissen der Menschheit explizit darzustellen - und damit die Unwissenheit der Menschen zu überwinden. ((verkürzte Darstellung)).

      Die Möglichkeiten, die das Internet bietet sind imo berauschend. Hier ist etwas entstanden, das in der Lage ist, Informationsmonopole aufzubrechen, wie sie seit der Zeit der Pharaonen besteht. Klar, daß böße Mächte (huhu Bill!) versuchen, hier neue Informationsmonopole aufzubauen. Aber: noch nie war es so schwer wie heute, Wissen zu monopolisieren. Und Wissen ist Macht!

      Die Frage ist, wie mit diesen Möglichkeiten umgegangen wird. Wie wurde mit dem Buchdruck umgegangen? Was lesen die meisten Leute? -> die Bild Zeitung, die Fernsehzeitschrift. Dann hört es bei mind. 50% der Leute doch schon wieder auf.

      Ein alter Philosoph sagte mal:
      "Nur das Wissen das wir beherzigen und anwenden ist uns von Nutzen"
          -- Konfuzius

      Ansonsten:
      <cite>
      sagte der neue Präsident der Privat-Universität Witten-Herdecke
      </cite>

      --> da sucht ein Laller Publizität. imho sind seine Äußerungen eine Kombination aus Ignoranz, Unwissenheit und guter alter Dummheit.

      ... meint
            K@rl

  2. Hallo,

    ich denke schon, daß das ernst gemeint ist, und ich denke auch, das man diese Überlegung nicht so einfach wegwischen kann. (Niemand will Dir/uns Dein/unser Internet wegnehmen....)

    Ich erlebe es selbst, daß ich vieles nicht mehr speichere (und mir auch keine Mühe dazu gebe) weil ich ja weiß, wo ich es nachlesen kann.... und wo lese ich mein fehlendes Algemeinwissen nach (wer oder was war genau Henri Quatre?) .... na in meiner teuer gekauften Encarta.... und wer sagt was da rein kommt und wie es rein kommt und wie es national gefärbt ist und von welcher Firma werden die bezahlt? ..... fremdes Wissen von Fremden häpchenweise portioniert möglichst von Fremden vorgelesen ersetzt tatsächlich immer mehr unser Algemeinwissen, und da eignet sich das Internet hervoragend zu....

    Denn mal ehrlich: wenn ich eine Information im Netz suche bin ich meistens schon froh, eine passende Seite gefunden zu haben. Auf die Quelle achtet doch dann vor lauter Glück im Dschungel kaum noch jemand... (Anwesende ausgenommen, anwesende ausgenommen....)

    Chräcker

    1. Denn mal ehrlich: wenn ich eine Information im Netz suche bin ich meistens schon froh, eine passende Seite gefunden zu haben. Auf die Quelle achtet doch dann vor lauter Glück im Dschungel kaum noch jemand.

      Und wie heißt der Autor des Geschichtsbuches, dem Du also so viel mehr vertraust?
      Die Frage nach der Authentizität von Information ist so alt wie die Kommunikation zwischen intelligenten Lebewesen. Zum Lügen braucht man kein Internet.

      1. Hallo

        Die Frage nach der Authentizität von Information ist so alt wie die Kommunikation zwischen intelligenten Lebewesen. Zum Lügen braucht man kein Internet.

        ....das macht die ursprüngliche Aussage des Professors aber jetzt nicht "falscher".........

        Chräcker

        1. Die Frage nach der Authentizität von Information ist so alt wie die Kommunikation zwischen intelligenten Lebewesen. Zum Lügen braucht man kein Internet.
          ....das macht die ursprüngliche Aussage des Professors aber jetzt nicht "falscher".........

          Nein, aber in *seinem* Kontext (Internet) irrelevant - und damit insgesamt irreführend.

  3. Hallo Swen!

    Nun was denn?
    Verlieren wir das Wissen oder uns in der Menge des Wissens?

    Man kann nich gleichzeitig den Verlust des Wissen und die zunehmende Menge des Wissens beklagen.

    «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.»

    Klar.
    Nimmt man aber die Menge des zu auswendiglernenden Stoffes und vergleicht es mit früheren Zeiten, wird sofort ersichtlich, daß die Tatsachen umgekehrt sind.
    Nur um im "stinknormalen" Leben zurechtzukommen, muss man fast 30% mehr an Informationen auswendig im Kopf haben als früher.
    Und die Evolution des Geistes läßt noch auf sich warten. In den letzten Paar Tausen Jahren hat sich evolutionsmäßig nicht viel um und im Hirn getan.

    «Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet»,

    Das ist wahr. Aber man kann deshalb nicht davon Reden, daß das Wissen verloren geht. Wenn man es doch tut, gilt das nur der Sicht des jeweils Betroffenen, also immer subjektiv.

    »»Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten, Politiker und Journalisten hätten bereits den Überblick über die ständig anschwellenden Datenmengen in ihren Fachgebieten verloren. «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.
    »»

    Tja ... ist also edlich aufgefallen?!Ist aber nicht neue. Die Zeit der Polyhistoriker (Universalgelehrten) ist leider abgelaufen. Das mag zwar schmerzen, hat aber nichts mit Wissensverlust zu tun.

    Unternehmen der Informationstechnologie bekämen dadurch immer mehr Macht. Mit Suchmaschinen und Internet-Diensten für einzelne Branchen und Wissenschaften machen sie das Internet für viele Anwender erst nutzbar. «Der Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden», warnte Zimmerli.

    Unsere Zukunft, mit vielen neuen *Fenstern*?!
    Wissen war Macht.Wissen ist macht und wird es immer bleiben. Zugangsbeschrenkungen zum Wissen sind auch keine neue Erfindungen. Machthabern ist noch nie daran gelegen die Beherrschten "voll im Bilde" zu halten. Und die Manipulation bzw. die Innehabung und zur Verfügungstellung von Wissen war schon immer eine wirksame Waffe um Macht zu erlangen bzw. behalten.

    Grüße
    Thomas

  4. Hallo Forum,

    Zwar haben wir immer besseren Zugang zu Datenbanken, aber wir verlieren dabei Teile unseres Wissens.»

    Da immer mehr Daten im weltweiten Netz zu finden seien, brauche der Einzelne immer weniger Informationen abrufbar im Kopf zu haben. «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab
    «Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet», sagte Zimmerli. «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.

    Unternehmen der Informationstechnologie bekämen dadurch immer mehr Macht. Mit Suchmaschinen und Internet-Diensten für einzelne Branchen und Wissenschaften machen sie das Internet für viele Anwender erst nutzbar. «Der Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden», warnte Zimmerli.

    Wenn ich solche Sätze lese, denke ich unwillkürlich darüber nach, ob dies eine gezielte Förderung der Volksverdummung ist.
    Ich glaube auch daran, daß es so ist. Ein denkendes Volk hinterfragt die Aktionen seiner Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsbossen und glaubt nicht jede Ausrede.
    Ein auf auswendig lernen getrimmtes Volk glaubt auch wesentlich leichter Phrasen. Es hat ja nie gelernt sich mit Problematiken auseinanderzusetzen.
    Das sinnvoll genutzte Internet zwingt den Menschen förmlich dazu, sich mit Problemen auseinanderzusetzen.
    Es befähigt ihn, Probleme zu lösen und erlaubt ihn seinen Horizont zu erweitern.

    .» Die enormen Langzeitfolgen des Internet für die Menschen würden bislang zu wenig diskutiert,

    hier stimme ich dem Mann übrigens zu. Allerdings in einem anderen Sinne. Er hat wohl Angst vor dem Machtverlust, den der Zuwachs an Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Informationen mit sich bringt.
    Ich sehe es mehr so, daß man langfristig gesehen den Menschen genau diese Dinge richtig beibringen muß.
    Leider ist das Auswendiglernen für die meisten immer noch bequemer als selber zu denken oder Nachschlagewerke zu benutzen.

    Viele Grüße

    Antje

  5. Philosoph: Internet bringt dramatischen Wissensverlust

    Das ist mal ein Posting, wo man förmlich gegen die Forum-FAQ verstoßen *muß* und sofort darauf antworten, ohne andere Meinungen vorher zu lesen ...

    Die zunehmende Verbreitung des Internet führt nach Einschätzung des Philosophen Walther Zimmerli zu einem gravierenden Wissensverlust der Menschen. «Wir entwickeln uns nicht in eine Wissensgesellschaft», sagte der neue Präsident der Privat-Universität Witten-Herdecke am Dienstag in einem dpa-Gespräch. «Zwar haben wir immer besseren Zugang zu Datenbanken, aber wir verlieren dabei Teile unseres Wissens.»

    Ich habe den schweren Verdacht, der der gute Mann die Begriffe "Wissen" und "Information" munter durcheinander wirft. Und "Datenbanken" haben mit Wissen nun wahrlich überhaupt nichts zu tun ...

    Information ist für mich etwas Neutrales, Meßbares. Wissen ist für mich etwas Subjektives, nämlich etwas, das irgend*jemand* weiß. Eine verschlüsselte Datei auf einer Festplatte, die niemand mehr lesen kann, enthält in meinen Augen zwar noch Information, aber kein Wissen mehr. Na - egal.

    Da immer mehr Daten im weltweiten Netz zu finden seien, brauche der Einzelne immer weniger Informationen abrufbar im Kopf zu haben. «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.»

    Genau hier würde ich die Unterscheidung zwischen Information und Wissen dringend brauchen, weil ich beides unterschiedlich handhabe.
    Hier im Forum erhalte ich beides, sowohl Information ("es gibt XML") als auch Wissen ("Aaah, so geht das also, wenn ich dynamisch viele Dateien in Perl parallel öffnen und hineinschreiben will").
    Bei Information nützt es mir etwas, wenn ich weiß (!), daß ich sie irgendwo finden kann. Bei Wissen nützt mir das normalerweise nichts, solange es nicht in meinem Kopf ist.

    Deshalb widerspreche ich seiner These: Zwar gibt es im WWW ziemlich viele Informationen, aber meiner Meinung nach kann Wissen "im" WWW gar nicht existieren, sondern nur in dem Kopf eines denkenden Wesens. Und hier empfinde ich das WWW als ein Medium, das mir eine *weitere* Möglichkeit bietet, mit Menschen zu kommunizieren und nicht zuletzt mein Wissen dadurch zu bereichern. Es liegt an jedem Einzelnen, dieses Medium adäquat zu nutzen.

    Die enormen Langzeitfolgen des Internet für die Menschen würden bislang zu wenig diskutiert,
    kritisierte der Fachmann für angewandte Philosophie.

    Wie sollen sie auch? So lang gibt es das Internet ja auch noch nicht, daß jemand eine Veränderung unserer Gesellschaft zielsicher auf die Existenz des Internets zurückführen könnte.
    Ich würde es also anders formulieren, nämlich anstreben, daß der Umgang mit dem Internet fester und umfangreicher Bestandteil in der Ausbildung eines jeden Mitglieds unserer sich schnell wandelnden Gesellschaft werden sollte. Ein konstruktiver Ansatz war mir schon immer lieber als ein Kassandraruf.

    «Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet», sagte Zimmerli.

    Falls er Informationen meinte, widerspreche ich ihm nicht unbedingt.
    Allerdings wird die Entwicklung der Suchmaschinen nicht stehen bleiben. Und wer gefunden werden *will*, der kann ja auch aktiv etwas dafür tun.

    Die Halbwertszeit von Geschriebenem werde immer kürzer. Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten, Politiker und Journalisten hätten bereits den Überblick über die ständig anschwellenden Datenmengen in ihren Fachgebieten verloren. «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.

    Alles wahr, aber nichts davon hat etwas mit dem Internet zu tun, sondern eher mit dem steigenden Bildungsniveau, dem steigenden Lebensstandard, dem folglich größeren Anteil des BIP für Forschung etc. Den entsprechenden Zeitpunkt dafür würde ich irgendwo in der industriellen Revolution ansetzen.

    Das Internet vereinfacht 'lediglich' den Informationsaustausch. Auch vor dem WWW gab es schon internationale Konferenzen über Themen, von denen ein Normalbürger kein Wort mehr verstehen konnte. (Nein, ich meine *nicht* Politik ... ;-)

    Unternehmen der Informationstechnologie bekämen dadurch immer mehr Macht. Mit Suchmaschinen und Internet-Diensten für einzelne Branchen und Wissenschaften machen sie das Internet für viele Anwender erst nutzbar. «Der Wissenszugang kann dabei selbstverständlich manipuliert werden», warnte Zimmerli.

    Zu diesem Thema empfiehlt der freundliche Tankwart Umberto Eco, "Der Name der Rose". Die Manipulation des Wissens ist keine wirklich moderne Erfindung: "Geschichte wird von Siegern geschrieben" etc.

    1. Moin Michael,

      Philosoph: Internet bringt dramatischen Wissensverlust
      «Das Problem ist, dass man benötigtes Wissen in den Datenmengen nicht mehr findet», sagte Zimmerli.

      Falls er Informationen meinte, widerspreche ich ihm nicht unbedingt.
      Allerdings wird die Entwicklung der Suchmaschinen nicht stehen bleiben. Und wer gefunden
      werden *will*, der kann ja auch aktiv etwas dafür tun.

      Ist Dir hier etwas durcheinander gekommen, oder verstehe ich etwas falsch? Ist es den Informationen nicht egal, ob sie gefunden werden? (Wenn man einmal von kommerziellen Angeboten absieht) Von daher sollten sich die Suchmaschinenbastler meiner Meinung nach schon etwas beeilen <g>

      dem folglich größeren Anteil des BIP für Forschung etc.

      Was FI‚s und FA‚s sind habe ich ja nun nach langem Rätselraten raus. Könntest Du nun aber bitte mal im Klartext sagen, was "BIP" ist?

      Guten Rutsch

      FdH

      1. Was FI‚s und FA‚s sind habe ich ja nun nach langem Rätselraten raus. Könntest Du nun aber bitte mal im Klartext sagen, was "BIP" ist?

        Bruttoinlandsprodukt, wenn ich nicht irre

        Gruß
        Tom

        1. Was FI‚s und FA‚s sind habe ich ja nun nach langem Rätselraten raus. Könntest Du nun aber bitte mal im Klartext sagen, was "BIP" ist?
          Bruttoinlandsprodukt, wenn ich nicht irre

          Yep. (Sorry, das war der berufsbedingte Aküfi.)

  6. Moin Forum,

    <g> Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, der Mann hat es ernst gemeint.</g>

    Tja, den Verdacht hege ich auch, falls ich irgendwann noch mal Philosophie studieren sollte, werde ich dort nicht studieren wollen, wo so ein geistiger Tiefflieger seine Plattitüden verbreiten darf.

    Ansonsten, ich kann so ziemlichen allen hier nur beipflichten, die Äußerungen sind quasi deckungsgleich mit meinen Ansichten zu dem Thema. Dieser Mann wirft alles durcheinander und hat ansonsten keine Ahnung.

    Die Probleme, die er hier erkennt, sind nicht durch das Internet verursacht, sondern bestanden schon längst, im Gegenteil, das Internet kann hier vielleicht sogar
    ein(er der) Lösungsweg(e) sein.
    Gerade die Diskussion hier hat mir persönlich gezeigt - Oh, toll, die denken das gleiche wie ich. Denn im alltäglichen Umgang habe ich bisher das Problem gehabt, daß die meisten nicht so weit _DENKEN_, und ich stand da und fühlte mich ... na ja, oft unbehaglich.

    Und bei besagtem Denken sehe ich die Herausforderung. Nicht "Wissen" oder "Information" sind meiner Meinung nach die kritischen Punkte, sondern die Fähigkeit, zu denken. Bisheriges Wissen mit neuen Informationen und den verschiedensten Meinungen zu verknüpfen, dadurch Neues und auch das genaue Gegenteil zu dem Bestehenden zu DENKEN, dadurch neue Gedanken zu entwickeln, zu erproben und mit vielen anderen Menschen darüber zu diskutieren. Welches technische Mittel wäre dazu besser geeignet als das Internet???? Alle anderen bisherigen Mittel nehmen sich dagegen aus wie Dinosaurier.

    Das Thema "Wissenszuwachs in der menschlichen Gemeinschaft" hat mich übrigens schon lange vor Existenz des Internet interessiert - daß es für einen heutigen Menschen nicht mehr möglich ist, sozusagen "auf der Höhe seiner Zeit" zu sein, war mir schon vor Jahren klargeworden (wobei "auf der Höhe seiner Zeit" sehr europazentriert ist, welcher Wissenschaftler vor 100 - 200 Jahren hätte auch das Wissen z.B. eines indianischen Heilers oder eines Eskimos und aller anderen Kulturen der Welt nachvollziehen können???).

    Das Internet kann ja hier eher noch helfen, fehlende Information zu einem speziellen Thema zu erhalten. Ansonsten ist hier ja schon alles gesagt, und manipulieren wurde ohne Internet vielleicht noch viel besser, hier besteht ja noch eher die Chance, auch mal nichtmanipulierte Informationen zu erhalten, und das von überall auf der Welt. Die Unterscheidung von manipuliert und nicht manipuliert hängt halt leider von der Denkfähigkeit des Einzelnen ab. ;->

    Falls es jemand interessiert, einige Anregungen zu dem Thema finden sich vielleicht auch auf telepolis - globales gehirn.

    Tschö und ...

    Renate

  7. Da immer mehr Daten im weltweiten Netz zu finden seien, brauche der Einzelne immer weniger Informationen abrufbar im Kopf zu haben. «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.»

    Seit der Urgesellschaft waren die entscheidenden Merkmale eines Menschen körperliche Kraft und Geschicklichkeit. Lebensunterhalt und gesellschaftliche Anerkennung waren unmittelbar verknüpft mit der Fähigkeit, körperliche Arbeit zu verrichten. Dann kam die Industrialisierung, mehr und mehr übernahmen Maschinen die körperliche Arbeit. Körperkraft ist seitdem nicht mehr sonderlich gefragt, statt dessen sind Träger auswendig gelernten Wissens wie Ärzte und Anwälte zur gesellschaftlichen Elite geworden. Auf die körperliche Fitness der Menschen hatte diese Entwicklung freilich negativen Einfluß - schade, aber unvermeidlich.

    Heute stehen wir am Beginn des Informationszeitalters, Maschinen übernehmen das Wissen. Auswendigwisser werden bald nicht mehr sonderlich gefragt sein, statt dessen werden diejenigen Menschen zur gesellschaftlichen Elite, die den Umgang mit den Werkzeugen zur Informationsbeschaffung beherrschen. Das ist weniger eine Frage des Wissens, sondern vor Allem von Aufgeschlossenheit, Auffassungsgabe und der Bereitschaft, sich ständig weiter zu entwickeln. Auf das auswendig gelernte Wissen der Menschen hat diese Entwicklung freilich negativen Einfluß - schade, aber unvermeidlich.

    Gruß
    Steffen

  8. Hallo Swen!

    «Die Fähigkeit, die wachsenden Angebote zu selektieren, erreicht ihre Grenzen», sagte Zimmerli.

    Das ist wieder die Aussagen eines Kollegen, der den Trüffelhopser nicht kennt. Besagtes possierliches Tierchen ist sehr wohl in der Lage, die Angebote zu selektieren und sogar zu horten (wie das Eichhörnchen die Nüsse). Vielleich sollte ich den Kollegen Zimmerli, einmal zu meinem Zoologie-Kurs einladen...

    Schöne Grüße aus dem Grzymeck-PAF-Haus
    Ihr
    Prof. Grzymeck-PAF

  9. Moin!

    ... «Bei auswendig gelerntem Wissen schneiden wir im Vergleich zu früheren Zeiten miserabel ab.»

    ... und wieder jemand, der den Unterschied zwischen einem Diktiergerät und dem menschlichen Verstand nicht begriffen hat ;-))

    Ich wünsch euch ansonsten allen einen guten Rutsch - und den ohne allzuviele merkwürdigen Zwischenfälle...

    Bis dannundwann...!

    Andreas

  10. Liebe Forumsteilnehmer!
    Könnte es sein, dass wir dem armen Professor Unrecht tun?
    Mir kommt der dpa-Bericht so vor, als seien hier einzelne Aussagen, die für sich genommen großteils völlig richtig sind, in typisch journalistischer Weise so in Zusammenhang gebracht, dass ein "interesanter" Bericht entsteht.
    Mir ist ähnliches schon oft aufgefallen, wenn ich angebliche Sensationsmeldungen mal auf ihren eigentlichen Gehalt hin untersucht habe (soweit das möglich ist).
    Michael

  11. Warum hat der Mensch so ein großes, großes Gehirn. Jedenfalls nicht, um Schillers Glocke hineinzutun. In einem Interview sagte neulich ein Anthropologe, eigentlich unterscheide sich der Mensch nur durch sein Talent vom Tier, sehr schnell auf unbekannte Probleme mit einer Lösung reagieren zu können. Dies ist wohl auch das moderne Verständnis von Intelligenz.

    Das Internet verstehe ich als riesige Chance, diese Fähigkeit zu trainieren, da man sich beliebig mit einer unfassbaren Zahl unbekannter Fragen, Szenarien und Problemen konfrontieren kann.

    Mit Auswendiglernen hat das nix zu tun, insofern könnte man sagen, der Internet-Mensch wird intelligenter, aber unwissender.