Liebe Forumer,
damit dieses Forum nicht wieder ganz in Fragen und Diksussionen darueber ertrinkt, wie man den Webseiten-User am besten mit fixen Fenstergroessen, ungewollten Effekten und diversem Blendwerk daengelt, erlaube ich mir mal wieder einen Thread der anderen Sorte anzuzetteln. Einer von der Sorte, die dieses Forum zu mehr gemacht haben als einem Plauderort fuer Techies ;-)
Das Thema betrifft die Mehrheit der deutschsprachigen Bevoelkerung, und auch jene, die in deutschsprachigen Nachbarlaendern wie Schweiz oder Oesterreich leben, kommen kaum drumherum, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vor knapp 11 Jahren wurde dieses Thema ueber Nacht ploetzlich aktuell, und vor 10 Jahren war es dann so weit: die ehemalige DDR und die ehemalige Bundesrepublik Deutschland West "fusionierten" zu einer neuen Bundesrepublik Deutschland.
Ueber das Thema wird ja allerortens viel diskutiert derzeit. Aber ich will mal einen anderen Aspekt aufwerfen als den, der sonst immer diskutiert wird, und auf das Gekeife der Parteien, wer am meisten "Verdienst" an der Einheit habe, will ich schon gar nicht eingehen. Mir geht es um was anderes: in dem Jahrzehnt, das die Deutschen Ost und West nun vereinigt erlebt haben, hat sich kulturgeschichtlich etwas Gewaltiges getan, das mit Deutschland und seiner Einheit eigentlich herzlich wenig zu tun hat. Mit dem Internet ist, ab etwa in der Mitte des Jahrzehnts, binnen weniger Jahre ein neues Massenmedium ueber die Leute gekommen, das dort, wo es wirklich verstanden wird, sehr starke gesellschaftliche Veraenderungen bewirkt.
Ich will nichts ueberbewerten: das Internet hat die Leute nicht besser gemacht als sie vorher waren - eher hat das Internet unter der Schlechtigkeit vieler Leute gelitten, die nur Erwartungen haben, bedient werden wollen und nicht begreifen, dass dies ein aktives Medium ist, das erst dann so richtig etwas zu bieten hat, wenn man ihm etwas von sich gibt. Aber auch davon will ich jetzt nicht weiter reden, das hatten wir alles schon. Worum es mir geht: viele hier haben doch auch viele neue Kontakte geknuepft in den letzten Jahren - und zwar uebers Internet. Nicht wenige haben sich dort verliebt, aber es sind auch andere, bleibende und den Menschen beeinflussende Freundschaften, Geschaeftspartnerschaften und anderes entstanden.
Meistens weiss man ja erst mal gar nicht, wo der andere lebt, in welchen Verhaeltnissen usw. Der Mensch erscheint als das, was seine elektronischen Woerter sagen. Auf dieser Ebene entstehen im Netz die Sympathien und Antipathien. Denken wir mal positiv und bleiben bei den Sympathien. Zweifellos sind viele solcher produktiven Kontakte auch zwischen Ex-Wessis und Ex-Ossis entstanden. Von mir selber kann ich nur so viel sagen, dass ich vorher gar niemanden in der Ex-DDR kannte und erst durchs Internet auch Kontakte zu Leuten in dem fuer mich frueher "unbekannten" Gebiet aufbaute. Ich habe dabei festgestellt, dass man zwar "auch mal" ueber dieses Thema redet, aber dass es meistens ausgeblendet ist. Was will man eigentlich mehr? Genau da wollen wir doch eigentlich hin mit der Einheit, oder? Einfach nicht mehr gross drueber reden muessen, genauso wenig, wie man heute etwa noch ueber den "Anschluss" des Saarlands redet.
Hat das Internet vielleicht mehr als man glaubt dazu beigetragen, dass sich unter den Menschen in den alten und neuen Bundeslaendern mehr Normalitaet eingestellt hat? Diese Frage wuerde ich gerne mal diskutiert sehen. Und dazu vielleicht andere Fragen. Zum Beispiel die, ob die Mentalitaetsunterschiede zwischen Ex-Wessis und Ex-Ossis ueberhaupt noch unser Problem sind, oder ob die Aufgabe nicht vielmehr in der Integration von Auslaendern, vor allem solcher anderer Kulturkreise, bestehen muss. Und damit zusammenhaengend vielleicht auch die Frage, wie viel das Internet eigentlich _dazu_ beigetragen hat bislang. Meine Befuerchtung: leider viel weniger, wegen der sprachlichen Huerden, die in einem sprachorientierten Medium natuerlich besonders schmerzlich sind.
Nicht diskutieren moechte ich in diesem Thread uebrigens ueber die deutsche Justitia und einige ihrer gefaehrlichen Schwaechen ;-)
viele Gruesse
Stefan Muenz