Hallo Lude,
Ich nutze Dein Posting jetzt mal auch als Ausgangspunkt, mein Posting hat mit Deinem nur noch am Anfang etwas zu tun.
Ist "Open-Source" mit einem Verband vergleichbar?
IMHO Nein. Ein Verband ist immer eine Einheit von Menschen mit dem gleichen Ziel, das in der Politik angesiedelt ist. (um es jetzt mal sehr dehnbar zu verfassen) Diejenigen, die an freier Software beteiligt sind, verfolgen jedoch unterschiedlichste Ziele und es gibt keine gemeinsame Interessen. (außer vielleicht der Wunsch nach Erhaltung und Verbreitung von freier Software, aber selbst da wäre ich vorsichtig, diesen allen zuzusprechen) Da gibt es zum Beispiel die »Fanatiker«, die mit freier Software die Welt verbessern wollen. Es gibt diejenigen, die nach Ruhm streben, es gibt welche, die ihr Geld mit freier Software verdienen [1]. Diese Dinge müssen sich nicht zwangsweise ausschließen, jemand kann auch alle diese Interessen besitzen, aber auch nur eine oder komplett andere, welche mir jetzt nicht einfallen.
Aber Du hast einen wichtigen Punkt angesprochen: Die Vergleichbarkeit von freier Software und von proprietärer Software. Ich habe Dein Posting schon vor einiger Zeit gelesen und es hat ein sehr langsamen, unterbewußter Denkprozess eingesetzt.
Daher vereinnahme ich jetzt eine kühne These, die ich selbst schon öfters versucht habe, zu wiederlegen: Freie Software ist (im Moment?) wirklich nur etwas für »Experten«[tm]. (ich sage jetzt bewußt nicht Freaks oder Geeks)
Ich möchte zu allererst einmal mir die Bereiche ansehen, wo freie Software wirklich »erfolgreich« ist. Dies dürfte ganz klar der Serverbereich sein. Am meisten vertreten sind dabei die zwei Betriebsysteme Linux und FreeBSD. Im Webserver-Bereich gibt es den Apache, bei der NT-Emulation Samba, ich könnte noch vieles mehr aufzählen, aber ich denke, diese »prominenten« Beispiele dürften genügen. Ein Server sollte nur von jemandem administriert werden, der davon Ahnung hat, darüber sind wir uns hoffentlich alle einig. (Deswegen ist es IMHO ein Rätsel, warum Microsoft eine graphische Oberfläche auf seine Server packt, damit öffnen sie nur die Serverwelt für »nicht-Experten«[tm]) Es gibt aber auch Bereiche, in denen freie Software nicht so erfolgreich ist. Dazu zählt vor allem der Desktop-Bereich. Auf dem Desktop dagegen sind viele DAUs unterwegs. Und genau da »punktet« freie Software nicht.
Bevor jetzt alle mich, einen überzeugten Anhänger freier Software, als Gegner derselben darstellen, möchte ich noch kurz einwerfen, dass ich keineswegs die Multimedia-Fähigkeiten freier Software verleugnen will, ich will auch nicht Hardwareunterstützung oder ähnliches anprangern. Ich will, wie gesagt, nur darstellen, dass freie Software im Moment nichts für Anfänger ist.
Jemand, der freie Software entwickelt, will im normalfall selbst damit arbeiten. Daher kommt auch die hohe Qualität zustande. Aber - und dieses Argument ist auch nicht neu - die Entwickler freier Software sind »Experten«[tm], sie kennen ich meist gut aus mit dem System und wollen so effizient wie möglich arbeiten. Und genau das ist der Knackpunkt: »Von Experten für Experten«[tm].
Ich habe früher shon dagegenargumentiert, dass es durchaus freie Software für »nicht-Experten« (ich unterlasse ab hier die [tm]s, denkt sie euch einfach dazu...) gibt. Dies will ich auch jetzt nicht bestreiten. Jedoch bin ich inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass in diesem Bereich freie Software nicht die (meinetwegen auch konzeptionelle) Qualität erreicht hat, wie proprietäre in diesem oder freie in anderen Bereichen. Warum? Weil der »Vorsprung« in der Qualität vor allem daher beruht, dass, wie ich oben dargelegt habe, freie Software auch von ihren Entwicklern benutzt wird. Dies ist IMHO jedoch bei freier Software, die anfängerfreundlich sein soll, nur begrenzt der Fall. Ich will hier keinesfalls irgendwelche Entwickler »schlechtmachen« und bestreite auch gar nicht, dass die Entwickler ihre Software testen, aber wenn man nicht täglich mit der Software arbeitet, kann man gar nicht bestimmte Mängel darin feststellen. Firmen, die proprietäre Software schreiben, müssen Usability-Tests mit »Anfängern« durchführen, um ein Software, die einigermaßen angemessen für diese Benutzergruppe ist, »herzustellen«. Freie Softwareprojekte haben zwar den Vorteil, dass sie sehr viele Entwickler »zur Disposition« haben, zumindest im Vergleich zu proprietärer Software, aber sie verfügen nicht über andere Resourcen, über die Hersteller proprietärer Software verfügen.
Früher hätte ich so das Gegenargument gebracht, dass es Firmen gibt, die kommerzielle, freie Software produzieren. Inzwischen sehe ich aber, dass diese kommerzeille, freie Software, die es durchaus gibt, (will ich gar nicht bestreiten) tendeziell eher »Nischenprodukte« sind, (zumindest aus Sicht von den »klassischen« Gebieten freier Software) als dass sie für den Anfänger tauglich sind. (man siehe z.B. winex - das ist nicht so leicht einzurichten und zu betreiben, daher auch nicht unbedingt »anfängertauglich«) Und selbst wenn ich das jetzt mal beiseite ließe und annähme, dass fast alle Firmen, die kommerzielle, freie Software produzieren, anfängertaugliche, freie Softare produzieren würden, gäbe es immer noch ein entscheidendes Gegenargument: Im Gegensatz zu proprietärer Software, in der es schon Konzpete für DAU-freundlichkeit gibt, gibt es das alles bei freier Software nicht. Eine Firma, die DAU-freundliche, freie Software produziert, wird automatisch auf das Problem stoßen, dass so ein »Konzept« praktisch auf verschiedenen Ebenen »durchgesetzt« werden muss, in vielen Projekten - und da kommt dann die Vielfalt freier Software als Nachteil heraus.
Zum Thema »Konzept« möchte ich mal ein Beispiel machen, vielleicht wird es dann klarer: Unter Windows steckt man eine neue Hardware an (z.B. USB-Scanner) und diese wird sofort konfiguriert und es wird nach den Treibern gefragt, ohne zutun des Anwenders. Klar, unter Linux kann ich mit ein paar kleinen Modifikationen an ein oder zwei Textdateien und zwei Kommandos das ganze viel schneller und problemloser durchführen, jedoch muss ich mir eingestehen, dass ich »Experte« bin. Klar kann man unter Linux so einiges an Hardware austauschen, ohne, dass das System darunter leidet, im Gegensatz zu Windows, das man unter bestimmten Umständen neu installieren muss. Aber ich muss immer bedenken: ich bin »Experte«, und andere sind es nicht. Jemandem, der keine Ahnung hat, ist ein solches Fenster, wo beschrieben wird, was er tun soll, viel lieber als die Möglichkeiten eines Linux-Betriebsystems.
Tja, und damit habe ich traurigerweise dargelegt, dass freie Software nichts für den DAU ist. Steinigt mich! :-(
Grüße,
Christian
[der hofft, dass ihn jemand wiederlegt]
[1] Richard Stallman hat ja selbst lange Zeit Geld für seinen Editor »emacs« verlangt.
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Ich wünsche allen frohe Weihnachten!
Ich bitte darum, dass ein Themenbereich (BARRIEREFREIHEIT) eingerichtet wird.