Moin!
Die Frage ist doch: "Was kommt danach?"
Mal angenommen, die Androhung von Folter wäre legitim und legalisiert. Dann bleibt die bloße Drohung nur eine leere Worthülse, wenn die Drohung nicht auch in die Tat umgesetzt wird.
Also wird bei Billigung der Androhung als nächster Schritt die Billigung der _Durchführung_ von Folter diskutiert werden.
Die Frage ist aber, was man dadurch für verwertbare Aussagen erhält. Das Mittelalter dürfte dafür doch genug Erfahrungswerte bieten.
Mögliche Szenarien:
Trotz Folter wird geschwiegen. Was soll man dann tun? Noch mehr und härtere Folter? Diese Gewaltspirale endet in Szenarien, auf die niemand mehr stolz sein kann und die auch niemand wirklich wollen kann. Die Todesstrafe ist schließlich abgeschafft.
Alternativ kann, damit die Folter vermieden oder beendet wird, vom Verdächtigen irgendeine Aussage getätigt werden, um die ermittelnden Beamten zufrieden zu stellen. Das kann tatsächlich die Wahrheit sein, es ist aber eher wahrscheinlich, dass der Verdächtige den Beamten lieber genau das erzählt, was sie hören wollen, damit die Folter aufhört. Die _sehr_ interessante Frage ist, wie man vor Gericht mit unter Folter erzwungenen Aussagen umgehen darf. Im Prinzip sind alle auf solche Art zustandegekommenen Geständnisse wertlos und dürften nicht verwendet werden. Wenn der Verdächtige tatsächlich die Wahrheit sagt, dürfte es den ermittelnden Behörden und insbesondere dem Richter aber vermutlich ziemlich schwerfallen, die gemachten Aussagen _nicht_ zu verwenden. Insbesondere wenn der Fall wieder einmal auf besonders verabscheuungswürdige Weise von den Medien hochgekocht wird, dürfte sich ein reguläres Gerichtsverfahren, wie es im Grundgesetz garantiert wird, kaum noch realisieren lassen.
Die Frage, die sich stellt, lautet nicht: "Kann im Einzelfall irgendetwas durch Folter gewonnen werden?", sondern sie muß lauten: "Ist es der zu erwartende geringe Erfolg der Methode wert, durch ihre Gestattung ein Faß ohne Boden zu öffnen?"
Stell dir den vom Verteidiger konstruierten Fall doch einmal vor: Ein Terrorist hat eine Atombombe gebaut und bedroht damit die Bewohner einer Millionenstadt. Sein Komplize wurde gefaßt.
Glaubt wirklich irgendjemand, dass der Komplize durch leichte Foltermethoden auspacken würde? Wahrscheinlich eher nicht. Er würde vielleicht auch durch schwere Foltermethoden nicht auspacken - wenn er ein hinreichend fanatischer Religionsanhänger ist, wird er sich für seinen Gott lieber zu Tode foltern lassen, als irgendwas auszusagen.
Alternativ hat er die wunderbare Möglichkeit, zum Verbal-Terroristen zu werden. Die Bedrohung durch eine Atombombe wird bei den Behörden eine gewisse Hysterie ausgelöst haben. Jeder Aussage des Komplizen wird also schnellstmöglich nachgegangen werden. Wenn der Komplize auf diese Weise erstmal eine Reihe von falschen Aufenthaltsorten angibt, werden auf diese Weise mutmaßlich unschuldige Bürger mit in das Verfahren hineingezogen. Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass in so einem Fall nicht sofort ein SEK ausrückt, um die fraglichen Orte zu sichern. Sollte der Komplize also mit seinem persönlichen Umfeld noch eine Rechnung offenhaben, oder für den Fall des Gefasstwerdens eine entsprechende "Folterliste" mit zu behelligenden Personen bereitgelegt haben, wären die Auswirkungen katastrophal.
Zugegeben: Auch folterlos gemachte Aussagen könnten den gleichen Effekt haben. Allerdings deuten die Aussagen, warum Folter angewandt werden soll, immer auf einen gewissen seelischen Notstand der Ermittler hin. Die Situation ist also bereits angespannt, und es ist nicht auszuschließen, dass die notwendige Sorgfalt dann einfach mal weggelassen wird.
Die Folter löst keine Probleme, sie schafft nur welche. Deshalb von mir ein klares Nein dazu. Ich glaube an die unveräußerlichen Menschenrechte, geschützt durch unseren Rechtsstaat. Deshalb muß ich solche Experimente absolut ablehnen, weil sie, wie oben dargelegt, die Büchse der Pandora öffnen, aber das grundlegende Problem nicht lösen.
- Sven Rautenberg
"Bei einer Geschichte gibt es immer vier Seiten: Deine Seite, ihre Seite, die Wahrheit und das, was wirklich passiert ist." (Rousseau)