Mathias Bigge: Kritik an Hartz 4

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Hi Sven,

Ich habe die Diskussion nicht allzu sehr verfolgt - ich krieg' wohl sowieso kein Arbeitslosengeld, sollte es mal soweit kommen, dafür zahl' ich ja auch nichts ein.

Doch. Als Selbständige hätten wir Anspruch auf den Sozialhilfenachfolger, der sogar eine leichte Verbesserung darstellt, wenn wir pleite gehen, was wir aber vielleicht doch lieber lassen werde *g*

Ich finde nur bemerkenswert, dass in der Diskussion um die 1-Euro-Jobs irgendwie immer davon ausgegangen wird, dass die Betroffenen dadurch nun wirklich extrem unmenschlich und verschwindend gering bezahlt würden.
Stimmt ja nicht. Das Arbeitslosengeld 2 wird ja weitergezahlt.

Richtig, dabei können sogar ganz ordentliche Verdienste herauskommen, wenn man das etwa mit Arbeit statt Sozialhilfe vergleicht. Aber ist das wirklich wünschenswert, mit solchen Kosten 1 Euro Jobs zu fördern? Wahrscheinlich hat irgendwo schon jemand nachgerechnet, was ein solcher Arbeitsplatz kosten wird, ich rechne mit mindestens 1000 Euro im Monat, und das dürfte angesichts der Ineffizienz der Bürokratie, die dahinter hängt, stark untertrieben sein.

Nun sind diese Jobs ja wie ABM und alle anderen Programme des zweiten Arbeitsmarktes, weil man der Wirtschaft keine Konkurrenz machen und auch mit den Gewerkschaften keinen Ärger will, dazu bestimmt, nichts wirklich Produktives zu leisten, mit wenigen Ausnahmen.

Nehmen wir an, diese Leute würden für einen Euro putzen, Stadtverwaltungen, Krankenhäuser und andere öffentliche Gebäude, welcher Aufstand der Gebäudereiniger und der entsprechenden Gewerkschaften würde da losbrechen, außer natürlich die wertguten Herrschaften könnten ihr jetziges Personal rausschmeißen und dafür die 1 Euro Fachkräfte einstellen...

Da ich auch dagegen bin, dass der Staat in großem Umfang der Privatwirtschaft Konkurrenz macht, sehe ich das ganze Projekt als völlig verfehlten Ansatz der Arbeitsmarktpolitik.

Die Betroffenen haben also folgende Wahl:

  1. Sie kriegen Alg2 und arbeiten nicht, weil kein Job angeboten wurde.
  2. Sie kriegen Alg2 plus den einen Euro je Stunde in einem Job.
  3. Sie kriegen beim Alg2 was abgezogen, weil sie einen angebotenen Job verweigert haben.

Sie haben nicht wirklich die Wahl, sondern müssen die angebotenen Jobs annehmen, was viele, vermute ich zumindest, auch gern tun werden, da es sich um eine Besserstellung handelt. Ich habe ein wenig Erfahrung mit diesem Bereich, weil die Küche in meiner KITA über ältere Fördermodelle für Sozialhilfeempfänger besetzt wird, und es gibt regelmäßig genügend Bewerber. Problem: Die Laufzeit der Beschäftigung wurde regelmäßig verkürzt, um mehr Leute durch diesen Durchlauferhitzer schleusen zu können, inzwischen auf ein halbes Jahr, also in etwa die Anlernzeit....

Wenn jetzt von kritischer Seite behauptet wird, es gäbe gar keine besetzbaren 1-Euro-Jobs, weil's sowieso gar keine Jobs gibt, dann haben die Betroffenen doch eigentlich nicht so schrecklich viel zu befürchten, oder? Vielleicht kann mir das mal einer erklären, was da an Bosheiten drohen soll.

Die Jobs sind ja ein Versuch, durch Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten die Kritik an Hartz 4 zu entschärfen. Man weiß ja genau, dass es der Druck allein nicht tut, wenn es keine Arbeitsmöglichkeiten gibt. Das Modell steckt aber damit voller Widersprüche. Mit dem Arbeitslosengeld 2 und den 1 Euro Jobs steht man sich plötzlich besser als mit jedem Minijob, was ja auch von Unternehmerseite schon angemerkt wurde. Andere Debatten, wie etwa die um den Mindestlohn, gehen in eine ähnliche Richtung: Besänftigen des Volkszorns.

Ich denke, als Selbständiger denkst Du ähnlich wie ich: Solche milliardenteuren Spielchen bewegen wenig, man sollte stattdessen lieber versuchen den ersten Arbeitsmarkt zu beleben, vor allem durch Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, weil die das Geld eher zur Schaffung neuer Arbeitsplätze einsetzen würden als die großen.

Bei einer Förderung von 1000 Euro im Monat könnten wir beide doch lässig eine Sekretärin einstellen, oder sonstwie was bewegen.

Das eigentlich Ungerechte an Hartz 4 ist aber aus meiner Sicht, das jemand, der 35 Jahre gearbeitet und in die Sozialsysteme eingezahlt hat und durch Insolvenz seiner Firma seine Arbeit verliert, schon nach kurzer Zeit mit jemandem gleichgestellt wird, der in der gleichen Zeit keinen Handschlag getan hat....

Viele Grüße
Mathias Bigge

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Kritik an Hartz 4

Mathias Bigge
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