Hi TomIRL,
Mal im Ernst, kannst Du Dir vorstellen, dass Du anders behandelt wurdest als die DDR Bürger?
Das war überdeutlich. Wir Wessis wurden besser behandelt, weil man unser Geld brauchte. Es war für einen Wessi ein bewusster Entschluss, sich in die sozialistische Wartegemeinschaft einzureihen, und nicht an der Schlange vorbei an den besten Tisch oder gleich in Intershop und Interhotel zu gehen. Ich habe es einige Male gemacht und etwas daraus gelernt.
Da die DDR Bürger keine Vergleichsmöglichkeit hatten gabs für Sie keinen Unterschied.
Sie haben sich die Gegenwelt aus Fernsehen und Erzählungen der Rentner mit Reiseerlaubnis zurecht interpoliert. Diese rosafarbene Sicht des kapitalistischen Paradieses war meines Erachtens die Folie für die radikale Enttäuschung nach anfänglicher Euphorie.
Das mit den Behörden merkt man übrigens bis heute.
Ich kann Dir mit nahezu 100% Treffsicherheit sagen ob der Angestellte mir gegenüber OSsi oder Wessi ist.
Das sehe ich genauso.
Nein Mattes die Sicht vom Fastix ist sogar noch wenig postiv... Es gibt viele Leute die die ganze Sache viel postiver sehen, und dieses ist selbst dann noch wenn Sie selbst Opfer von Restriktionen geworden sind.
Das ist für mich zwar erklärbar, aber dennoch überraschend.
Um ein Gesellschaftssystem zu begreifen _muß_ man in Ihm gelebt haben.
Das sehe ich anders. Es gibt sicher verschiedene Perspektiven, es gibt die Qualität des eigenen Erlebnisses, aber dennoch wissen wir heute auf der abstrakten Ebene mehr über die Realität der DDR als die Bürger der DDR damals wissen konnten.
Es ist bedauerlich, dass viele bis heute nicht ein wenig nachgeholt haben. Vielleicht sollte man Sempruns "Ein schöner Sonntag" zur Schullektüre machen, um einen Einblick in die politischen Strukturen der Kommunisten zu vermitteln.
Die Abläufe und Beziehungen zwischen den Menschen die ganz stark durch das gesellschaftlich Umfeld geprägt werden, lassen sich nicht wirklich von aussen beobachten und im "Nachgang" beschreiben.
Es ist ein Perspektivenwechsel, den jede Geschichts- oder Politikwissenschaft vornehmen muss. Dabei gehen Dinge verloren, es kommen aber auch Erkenntnisgewinne hinzu.
Hinzu kommen verschieden Verdrängungsmechanismen, die psychologisch durchaus sinnvoll sind, damit wir nicht als Neurotische Idioten durchs Leben gehen.
Ja, das ist die Erklärung, vielleicht auch ein Effekt, der für jede persönliche Geschichtserfahrung gilt: Die Zeit, in der man jünger war, ist für fast jeden die bessere Lebenszeit. "Ich glaube an das Glück, ich weiß, es kehrt zurück."
Er ist übrigens heute noch in der Bundeswehr und auf Natoebene aktiv und wohl vor allen Dingen seiner fachlichen Qualitäten sehr geschätzt. Seit 1989 weiss ich, dass meine Eltern viel mehr wußten als Sie mir zuvor erzählt hatten,.
Und wahrscheinlich zu Deinem und ihrem Schutz nicht erzählen konnten. Mit einer Karriere im Kommunismus war man immer auch exponiert und tendenziell bedroht.
Was habe ich daraus gelernt?
Presse vor allen Magazine wie (Monitor vom WDR und die TAZ) leben vom gezielten verschweigen von Informationen.
Das ist eine interessante Frage. Tatsächlich werden ganze Bereiche des Lebens von den Medien totgeschwiegen, die Gründe dafür halte ich aber für komplex. Ein Grund ist das geringe Interesse an den Hintergründen, zum Teil auch die Faulheit und Bequemlichkeit von Rezipienten und Journalisten. Beispiel: Ein Bericht über ein "buntes" Thema ist in einem Tag konzipiert und gemacht, ein kritischer politischer Bericht erfordert die 10fache Arbeit und fällt dann vielleicht in der Redaktion noch durch, weil man Angst vor rechtlichen Problemen und sonstigem Ärger hat.
Presse überhaupt taugt als Informationsquelle allenfalls zur Grundinformation. Man besorge sich die Quellen der Presse.
Der Unterschied zwischen den Quellen der Presse im politischen Bereich und den Quellen selbst (dpa und CO) tendiert leider gegen Null, eine der bitteren Wahrheiten der aktuellen Medien. Nimm ein aktuelles Problem und sieh Dir die Uniformität der Berichte an: Da sitzen die Redakteure vor dem Bildschirm und kürzen dpa-Meldungen....
Sozialismus als Gesellschaftssystem taugt als genauso viel wie die real exstiertende soziale Marktwirtschaft alla CDU und SPD.
Diese These von Dir zu hören überrascht mich.
Und nein, die Freiheit der Menschen wird nicht größer, wenn man die Soziale Absicherung erhöht. Wirkliche Freiheit gibt es nur wenn der Mensch Entfaltungsfreiräume erhält. Und die Gesellschaft Ihm auch zutraut, dass er für sich selbst sorgen kann.
"Wenn die Freiheit des einzelnen zur Bedingung der Freiheit aller wird", wie es überraschenderweise der olle Marx mal formuliert hat. Ein DDR-Autor, ich meine Stefan Hermlin, hat mal einen schönen Text darüber geschrieben, wie sowas in der DDR umgebogen wurde, damit's auf die diktatorische Realität passt.
Konsum ist für das Glücksempfinden des Menschen völlig nebensächlich.
Es hat was von Drogenkonsum: Kurzer Orgasmus, lange Reue....
Viele Grüße
Mathias Bigge