Moin,
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht wieder eine neue denglische Wortschöpfung in der Wissenschaft, bei neuen Produkten oder vor allem auf VIVA ertragen muss. Geht nur mir diese Zumüllung der Sprache derart auf den Wecker?
Neulich bekam ich dienstlich eine E-Mail: im Rahmen eines "Technologierefreshes" werde das "Voicemailsystem" upgedatet. Ah ja. Seitdem höre ich keine Ansage mehr, wenn ich Voicemailnachrichten aus meiner Voicemailbox abhöre sondern lausche einer Präambel; Ich vergesse langsam meine alte Geheimzahl und merke mir fleißig dafür eine Codenummer und so weiter und so weiter. Normalerweise kann ich mit diesem Dummdeutsch ganz gut umgehen, lächle ein wenig und behalte "meine" gewohnten Worte im Kopf. Wenn man den Text aber weiterlas, dann stolperte man über dutzende von Rechtschreibfehlern. Ab da wurde es nur noch peinlich.
Es liegt nah anzunehmen, dass viele Menschen Fremd- oder Modeworte benutzen, weil ihnen schon im elterlichen Umfeld der Wortschatz abhanden kam. Wo sonst als dort lernen wir Sprache? Vielleicht, weil schon ihre Eltern sprachverkümmert aufwuchsen? Vielleicht, weil ihre elterische Peergroup in Anglizismen geübter war als in deutsche Klassikern und Schillers Balladen? Vielleicht, weil die äußerlichen Einflüsse (Medien) zunehmen, während zugleich der Familienbund (Großeltern, die Teile der Erziehung übernehmen) sich auflöst? Ich weiß nicht, was richtig ist. Aber ich glaube diese oft gehörten Erklärungen nicht wirklich. Ich denke holzschnittartig: Unterschichten hatten sicher "schon früher" einen kleineren Wortschatz gehabt, Oberschichten haben immer wieder gern mit Fremdsprachen (Latein, Französisch...) gespielt. Und aus Ländern, in denen z.B. im Fernsehen weit weniger synchronisiert wird (und in der Folge viel mehr englische Vokabeln gehört werden) lese ich nichts von Sprachverkümmerungen. Vielleicht ist eine andere (typisch deutsche?) Eigenschaft, die uns prägt: Ein Volk, dass nicht aufrichtig und ehrlich mit seiner Geschichte umgeht, sondern in weiten Teilen schon beim kleinsten Erinnern an die Untaten während des Nationalsozialismuss "... ich habe keine Schuld... ; ... damit muss doch mal Schluss sein ... ; ... die anderen doch auch ...; ... selber, selber... " ausruft, wird, solange das so bleibt, wohl nie genügend Selbstbewusstsein entwickeln, wenigstens seine eigene Sprache zu mögen. So gesehen sind es also eher die "aufrechten Deutschen", die durch ihre ständiges Herumkritteln an der deutschen Geschichte die deutsche Sprache den Bach runtergehen lassen.
Viele Grüße
Swen Wacker