Moin!
Ich sehe den Grund für die angesprochene "Verblödung" eher daran, dass es im Osten keinerlei Perspektive gibt. […]
Ja, das ist eines der Probleme und, gerade für die jetzt um die 30 jährigen (zur Erinnerung, wir haben das Jahr 16 nach der Deutschen Wiedervereinigung), das Fehlen des erhobenen Hauptes. Für viele dieser Altersgruppe sind wir doch immer noch Deutsche zweiter Klasse. Das ist auch kein Wunder, wo doch Helmut Kohl der "Vater der Deutschen Einheit" und die CDU und die BRD hauptsächlich dafür gesorgt haben, dass in der DDR die Diktatur abgeschafft wurde.
Jetzt wird es interessant: Vielleicht ist das genau eines der Kernprobleme, die „Wiedervereinigung“: Die ostdeutschen Bundesländer wurden dem Staatsgebiet der BRD _hinzugefügt_, inklusive Währungsumstellung und Jurisdiktion. Der Begriff „Annexion“ ist vielleicht überspitzt, trifft es meiner Meinung viel besser als „Wiedervereinigung“, da der DDR das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche System der BRD übergestülpt worden ist. Wiedervereinigung hätte für mich geheißen, dass man sich zusammensetzt und aus beiden Staaten einen neuen macht, inklusive neuer Verfassung, die durch eine Volksabstimmung legitimiert wird (so wie es im Grundgesetz auch vorgesehen war).
Oder war es vielleicht doch eine friedliche Revolution von Bürgern der ehemaligen DDR, geführt von einer eigenen Elite? Leider haben es nicht viele aus dieser Elite in Führungspositionen innerhalb der ostdeutschen Bundesländer geschafft. Mangelte es da an Protektion aus den Reihen der Parteien der alten BRD? Wollte man dort eventuell auch lieber "Parteisoldaten" als kritische Hinterfrager?
Vielleicht liegt dies schon in der westdeutschen Mentalität begraben: Revolution hat in diesem Fall (immer?) etwas mit Idealismus zu tun, nur tut man sich damit in einer Gesellschaft des Pragmatismus schwer.
Im Westen ist man der Meinung, den Solidaritätszuschlag bezahlen nur westdeutsch Arbeitnehmer,
Bin ich da falsch informiert, oder ist es wirklich so widersprüchlich, dass _alle Arbeitnehmer_ den Soli zahlen?
alle Ostdeutschen leben auf Kosten der Westdeutschen
Würde mich nicht wundern, wenn man Ostlöhne bekommt, aber Westpreise bezahlen soll.
und um das Selbstbewusstsein derer, die in der DDR sozialisiert wurden, noch weiter zu steigern, wird jedesmal, wenn es im Osten Deutschlands zu grausamen Straftaten kommt, die Mähr von der "mangelhaften Sozialisation in der DDR" durchs Land getrieben. Die Kinderkrippen und Kindergärten waren natürlich grausam für die Kinder.
Bei Sprüchen wie „Proletarier _aller Länder_ vereinigt euch“ oder Liedern wie der „Internationalen“ kann man ja nur zum Ausländerfeind werden ;-)
In den Schulen gab es nur Staatsbürgerkundeunterricht und studieren durften selbstverständlich auch nur absolut Linientreue.
Dann haben Thomas Brussig und einige meiner Freunde doch gelogen, so wie sie von der DDR-Propaganda infiltriert wurden.
Das prägte die ostdeutschen Menschen natürlich.
Da kannst du mal sehen, was 40 Jahre erprobter Gehirnwäsche ausmachen können. Aber nicht alles in der DDR war schlecht. Deutsche Innenminister finden z.B. das Konzept zur Inneren (Un-) Sicherheit mit spitzelnden Nachbarn sehr interessant.
Als ob es im Westen keine Babymorde und keine rechte Gewalt gäbe.
Ich wohne im Kasseler Umland, hier gibt es beides – weil wir so dicht an der Zonengrenze liegen >:->
Und nun wundert man sich, wenn "Wessis" nicht überall in Osten mit offenen Armen empfangen werden, was natürlich auch wieder eine Stammtisch-Verallgemeinerung ist. Verblödung? Ich kann keine erkennen.
Nö, viel eher eine Verarschung: Die Westdeutschen Politiker sind aus welchen Gründen auch immer in die DDR gekommen, haben die dortige Revolution für ihre Zwecke nutzen können, neue Bundesländer gewonnen, Geschichte geschrieben und ungeahnte Abschreibungsmöglichkeiten für westdeutsche Konzerne geschaffen, eine Art Billiglohn-Land in einem Hochlohnland, versprochen als „blühende Landschaften“. Schlimm nur, dass Kohl damit sogar Recht hatte.
Viele Grüße,
Robert