Hi Bio,
ich habe lange über Dein Posting nachgedacht, es ist nicht einfach darauf einzugehen, weil Du jedes politische Problem mit parteipolitischen Perspektiven und dem Nationalsozialismus in Verbindung bringst und so emotional auflädst, anstatt zunächst mal einen nüchternen Blick auf die Fakten zu werfen. Da wirst Du dann ungenau.
... das Resultat des jahr(zehnt)elangen Multi-Kulti-Bla-Blas (insbesondere aus Richtung rot-grün) ist.
Aus diesem Schuld-Kult heraus, dass unsere Vorfahren den ersten Platz auf der ewigen Bestenliste der Erz-Schurken besetzt haben, ...
Vielleicht könntest Du, um uns Lesearbeit zu ersparen, diese beiden Standards Deiner Politpostings in einen Code und in die Signatur packen (Ds; RGS).
Tatsache ist und bleibt aber doch offensichtlich, dass die Definition einer europäischen Leitkultur dringender denn je scheint, und Toleranz für widersinnige Ansichten und Respekt für archaische und überkommene Bräuche in einer aufgeklärten Gesellschaft keinen Platz haben, die weiterhin eine aufgeklärte, moderne, pluralistische, freie und demokratische Gesellschaft bleiben will.
Die Probleme der multikulturellen Gesellschaft löst Du nicht durch Definitionen einer Leitkultur, solche Debatten sind eher etwas zum Aufpeppen von inhaltsarmen Parteitagen. Hauptsächlich aufgrund konkreter ökonomischer Bedürfnisse hat man Leute ins Land geholt, die bleiben werden, vor allem zur Kaiserzeit im Kontext der Industrialisierung und in der CDU-Ära Adenauers und seiner Enkel. Sobald die Wirtschaft den Bedarf anmeldet wird man dies wieder tun und die Politik wird zustimmen. Mit Blabla oder ohne.
Kennzeichnend für die politischen Debatten in diesem Bereich ist für mich die radikale Unehrlichkeit. Ausländerfragen werden angesprochen, um Wähler zu gewinnen, gern auf der Schlammspur oder auf der Schiene wahrer Menschlichkeit, nicht um Probleme anzugehen und zu lösen.
Was aber sind die Probleme? Konkret zur Diskussion steht hier die mangelnde Emanzipation muslimischer Frauen, die Du als Frauenbeauftragter wie Alice Schwarzer, die in etwa die gleiche Position wie Du vertritt http://www.emma.de/532.html, sicher fördern und unterstützen willst.
Du unterschätzt wie Schwarzer dabei, dass sich die jungen Damen aus der deutsch-muslimischen Welt längst auf den Weg gemacht haben, und in den Schulen viel erfolgreicher sind als ihre Brüder. Sie haben anscheinend etwas erkannt, was anscheinend schwer zu verstehen ist:
Emanzipation ist eine Leistung, die man ganz wesentlich selbst erbringen muss.
Sicher übersiehst Du nur aufgrund übertriebener weiblicher Emotionalität, dass die Probleme kompliziert sind. Im Grunde geht es doch um eine simple Frage:
Wie können wir die jungen Damen aus muslimischen Familien bei ihrer Emanzipation unterstützen?
Dann wird die Debatte plötzlich sehr konkret und man kann sie diskutieren, ohne gleichzeitig die Fragen zu klären, ob Hitler sich 1939 nur gegen die Bedrohung durch das übermächtige Polen verteidigen musste oder ob die europäische Kultur weltweit führend und richtungsweisend ist. Denn seien wir ehrlich, welcher Schreihals auf dem Feld der Ausländerpolitik interessiert sich schon wirklich für so etwas Langweiliges wie Kultur, sei es Rushdie, Pamuk oder Kafka?
Für mich gibt es einige Eckpunkte, die helfen könnten:
- konsequente Sprachförderung in KITA und Schule, aber auch für die Eltern
- Verbesserung der Job- und Ausbildungssituation für Jugendliche
- Unterstützung bildungswilliger Eltern aus sozial schwachem Milieu
- konsequenter Schutz von Frauen und Mädchen, die von ihren Familien drangsaliert werden
- Entwicklung von Kriterien für eine sinnvolle Einwanderungspolitik
Wir müssen den Fundamentalisten aller Art klare Grenzen setzen, rechtsstaatlich fundiert und wirksam. Gleichzeitig darf das nicht als Vorwand gebraucht werden, alle muslimischen Menschen in Deutschland zu diffamieren.
Meine Tochter hat Freundinnen aus iranischen und türkischen Familien, jetzt in der Grundschule und vorher in der KITA. Wenn ich mit deren Eltern zusammensitze, haben die die gleichen Träume und Wünsche für ihre Töchter wie ich: schulischer Erfolg, sie sollen möglichst glücklich und unbeschwert aufwachsen, sie sollen später eine vernünftige Ausbildung bekommen. Natürlich gibt es verpeilte Ausländer, aber die Debatte um dieses Problem wird häufig dazu missbraucht, die vielen normalen Familien mit zu diffamieren und jede Unterstützung in dieser Richtung in Frage zu stellen.
Gerne würde ich auch die kulturelle Frage diskutieren, aber mal ehrlich, interessiert Dich das wirklich?
Viele Grüße
Mathias Bigge