Hallo jobo,
»» Ich unterstelle Frau v.d.Leyen nicht, dass sie eine bundesweite Zensur-Infrastruktur will.
Wenn sie "das beste" wirklich wollte, würde Sie auch auf Experten hören. Der Eindruck, dass Sie das tut, drängt sich einem aber zumindest nicht gerade auf. Die Motivation, ein Erfolg bei einem populären Thema vor der nächsten Wahl zu erreichen, ist groß genug. Vielleicht denkt sie auch wirklich, dass sie etwas positives erreicht. Wenn sie das tut, habe ich aber zumindest den Eindruck, dass ihr relativ egal ist, wie groß der Nutzen davon ist, weil sie den angerichteten Schaden gar nicht merkt, weil ihr das Web/Internet ohnehin fremd ist.
In der Debatte wurde ja auch schon erwähnt, dass man die Besucher der Sperrseite evtl. strafrechtlich verfolgen möchte und vorgeschlagen man solle dann eben besser keine "unbekannten Seiten" mehr verfolgen. Solche Vorstellungen zeigen einfach, dass die Beteiligten hier keine realistische Vorstellung vom Internet haben. Wenn man auf dem Standpunkt steht, dass man praktisch keinen Schaden anrichten kann, kann man natürlich auch jede Aktion rechtfertigen, wenn sie höchstwahrscheinlich nichts bringt.
Ich bin mir allerdings recht sicher, dass die Leute in der zweiten Reihe, insbesondere die Führung vom BKA genau weiß, was sie tut. Die wollen ihre Machtbefugnisse ausbauen, noch nicht mal mit bösen absichten, aber etwas Neues, was man nicht kontrolieren kann, verunsichert Sicherheitsbehörden immer, und beraten die Ministerin eben entsprechend.
«« Immerhin wirst du als Politiker aber fast _immer_ Leute treffen, die bei einer Entscheidung schreien "immer auf die Falschen", "immer auf die Kleinen", "immer gegen die Freiheit", egal, ob sie selbst die Richtigen, Großen oder es nur im die Ego-Freiheit geht.
Ja, kann gut sein, dass sie den widerspruch so einordnet. Schäuble macht das ja wohl auch so. Da fehlt eben der Realitätsbezug. Bei Schäuble geht das schon so weit, dass er das Verfassungsgericht bezichtigt, sich zu sehr in die Politik einzumischen.
Ein wichtiger Aspekt wird in dieser Diskussion noch vergessen.
Von der Leyen begründet die Sperren im Wesentlichen mit zwei Argumenten:
1. Kinderpornographie im Web nimmt masiv zu und es ist leicht, sie zu finden, bzw darauf zu stoßen.
2. Menschen, die sich Kinderpornographie ansehen, werden quasi "angefixt" und werden dadurch regelmäßige Konsumenten oder gar Sexualstraftäter.
1. kann man als regelmäßiger Web-Nutzer nicht nachvollziehen. Man stolpert einfach nicht über Kinderpornographie, man bekommt noch nicht mal Spammails dafür, wo da doch sonst alles legale und illegale beworben wird. Wenn es das gibt, dann wohl versteckt. Man kann das nun als Bürger ja nicht prüfen, weil man sich dadurch schon strafbar macht. Aber Aussagen von Leuten, die sich in der "Szene" auskennen (es gab da diesen Artikel eines Täteranwalts), gehen dahin, dass der Tausch entweder offline oder per Usenet/geschlossenen Tauschbörsen stattfindet, was auch viel plausibler erscheint.
2. ist einfach falsch. Sexuelle Präferenzen bilden sich wärend der Pubertät heraus. Wenn man keine pädophilen Neigungen hat, wird man sie auch nicht entwickeln, wenn man mal über Kinderpornos stolpert. Genau so wenig, wie man Homo- oder Heterosexuell würde, wenn man sich entsprechende Bilder ansähe.
Ich bin nicht prinzipiell gegen ein solches Gesetz. Nur sollte es zunächst mal ein Gesetz sein (und nicht Verträge schonmal voraus, die dann durch Klagen von Kunden beseitigt werden müssen, wenn das Gesetz doch Verfassungswidrig ist), das Gesetz sollte durch eine vernünftigen Datenbasis gerechtfertigt werden (Es gibt wirklich viele der besagten Seiten, Nutzer usw.), es sollte sauber abgegrenzt sein, was man damit will (man sollte Strafverfolgung für Besucher der Sperrseite einfach konsequent ausschließen, wenn man eine Warnung will. Strafverfolgung weckt die Angst, ausversehen gesperrte Seiten aufzurufen und gleich mal eine Hausdurchsuchung zu riskieren. Wenn es um KInderpornographie geht, sind ja auch Untersuchungsrichter sehr schnell.), und zu guter letzt sollte man demokratische Prinzipien achten, d.h. eine Sperrung einer Seite muss von einem Richter angeordnet werden, mindestens der Besitzer der Seite muss über die Sperrung informiert werden und sie sollte zeitlich befristet sein, damit sich nicht Sperrungen ansammeln, die längst nicht mehr gerechtfertigt sind und z.B. entstanden, weil in einem Forum/Gästebuch einschlägige Bilder gepostet wurden. Wie bei Überwachungsmaßnahmen üblich, sollten natürlich auch statistiken darüber erstellt werden, wie viel Seiten gesperrt werden u.ä. sodass der Öffentlichkeit bekannt ist, in welchem Umfang in Grundrechte eingegriffen wird.
Keine dieser Maßnahmen findet sich im Gesetz wieder. Daraus kann man eigentlich nur schließen, dass sich die beteiligten Politiker schlicht nicht die Mühe machen wollten, über den Schutz von Grundrechten nachzudenken oder dass sie dem BKA bewusst Handlungsspielräume lassen wollten, die es in einer Demokratie nicht haben sollte.
Grüße
Daniel