Hallo, Sven,
Ich will gar nicht viel zum Thema sagen, da ich dazu schon öfters hier etwas gesagt habe (finde es nicht - dürfte in etwa »Dekonstruktion von Sprache« betitelt sein, </archiv/2002/11/29201/#m158485> ist es nicht wirklich). Ich stehe auch für eine »Rückeroberung«, aber keine »Normalisierung« ein. Ich gehe aber sogar sehr offensiv mit diesen Wörtern um (alles andere als in der typischen abgegriffenen Betroffenheitsrhetorik - jeder wird damit auf seine Art fertig, ich auf die »absurde«), bin mir dann aber immer bewusst, dass ich ein »semantisch vorbelastetes« Wort verwende. Ich würde, wenn ich es in einem anderen Zusammenhang verwenden würde, es sicher zu vermeiden suchen, aber ich würde niemanden fehlende Sensibilität vorwerfen, wenn ein solch vieldeutiger Begriff in einem eindeutigen Kontext verwendet wird (oder denjenigen gar als »Nazi« oder $wasweißich denunzieren, aber dieser Fall lag hier auch nicht vor).
lulu hat aber insofern Recht, dass du dir der Konnotationen bewusst sein solltest, wenn du diese Wörter verwendest - du kannst es gar nicht unterbinden, dass einem Leser das Wort aufstößt. Was lulu mit »Bedeutungsentwicklungen und Begriffsumdeutungen« meinte, ist ein grundlegender Mechanismus, über welchen Sprache funktioniert. Verallgemeinert gesehen ist es deshalb meiner Meinung nach gar keine Frage der antifaschistischen Praxis, sondern im Grunde ein kommunikatives Problem. Den Vorschlag, solche Wörter zur Vermeidung dieser sprachlichen Doppeldeutigkeiten aus dem Wortschatz zu streichen und es durch einen »gesellschaftlichen Konsens« - m.E. hier ein Euphemismus für »jeder sollte durch Druck dazu gezwungen werden« - zu untersagen, halte ich keinesfalls für adäquat. Dass sich jeder Schreibende beziehungsweise Sprechende der Assoziationen bewusst sein sollte, welche (relativ naheliegend) evoziert werden können, halte ich hingegen für essentiell.
emus Posting kann ich persönlich nur rhetorische Fragen und den Hinweis, dass er nicht diskutieren möchte, entnehmen... Obwohl mich gerade die von ihm aufgegriffene/kritisierte »Rückeroberung der Sprache« interessiert. Leider hat kein anderer direkt dazu etwas gesagt.
Ich will dich nur noch auf eines aufmerksam machen:
Sind wir Deutschen ...
Bitte vermeide in Zukunft solche Argumentationsmuster beziehungweise solche Rhetorik. Das ist natürlich deine freie Entscheidung, ich halte es dir nicht vor, mache dich »nur« darauf aufmerksam (wie es auch anscheinend lulu vorhatte, er hat sich auch zurückhaltend genug ausgedrückt, ich fand diese Art akzeptabel). Ich persönlich finde es <del>lächerlich</del><ins>unpassend</ins>, da du eine seltsam zusammengehörige Gruppe konstruierst. Die Tatsache, ob der Sprecher die deutsche Staatsbürgerschaft hat oder nicht ist für diesen Diskurs IMHO völlig irrelevant. Jemand, der die Geschichte des Nationalsozialismus samt seinen »sprachlichen Stilblüten« nicht kennt (das könnte ihm zweifelsohne vorgeworfen werden), würde bei der Verwendung von semantisch vorbelasteten Begriffen genauso schief angeschaut, ohne dass ihm bewusst ist, dass er einen empfindlichen Nerv getroffen hat. Solche »Tabus« gibt es in jeder (Sprach-)Gemeinschaft, was nicht bedeutet, dass sie nicht hinterfragt werden sollten.
Grüße,
Mathias
Mein Leben, ein Leben ist es kaum, / Ich gehe dahin als wie im Traum.
Wie Schatten huschen die Mensch hin, / Ein Schatten dazwischen ich selber bin.
Und im Herzen tiefe Müdigkeit - / Alles sagt mir: Es ist Zeit ...
(Theodor Fontane, Mein Leben)