Stefan Eickhoff (aka lulu): Sprachgebrauch

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Hallo Sven

Ja, das hier ist ein technisch orientiertes Forum.

Es geht thematisch fast immer um die Einhaltung von syntaktischen Regeln, Konventionen, Standards - oder allgemeiner gesagt um Präzision.

Meiner Meinung nach kann man aber auch für die Sprache ein gewisses Maß an Präzision einfordern. Dazu gehören dann nicht nur formale Kriterien sondern auch inhaltliche.

Sprache ist mehr als die Aneinanderreihung von Wörtern, sie hat auch immer mit Kultur, Politik und Geschichte zu tun.
Eine lebendige Sprache ist stets im Wandel begriffen, Begriffe und Redewendungen unterliegen im Laufe der Zeit einer Bedeutungsentwicklung.

Es gibt Wörter die durch den Kontext ihrer Verwendung oder auch durch ihren historischen
Hintergrund eine über den reinen Wortsinn hinaus gehende Bedeutung erhalten.
So etwas bezeichnet man als Synonym.

So wird z.B. vor allem in der Werbung versucht Produktbezeichnungen als Synonym für
Dinge des Alltags zu etablieren ("Tempo", "Nivea" etc.).

Politische Gruppierungen versuchen im öffentlichen Diskurs Schlagworte für sich zu besetzen um sich zu profilieren und Kompetenz auf dem jeweiligen Gebiet zu signalisieren.

Begriffe können auch zu stellvertretenden Bezeichnungen für bestimmte Ereignisse oder ganze Epochen werden (z.B. "Aufklärung", "Reformation", "Machtergreifung", "Kuba-Krise", "Mauerfall").

Dann gibt es auch Begriffe die zentrale Bedeutung für Religionen oder Ideologien haben (z.B. "Auferstehung", "Klassenkampf" oder "Marktwirtschaft").

Ein Wort kann somit auch ausserhalb des ihn umgebenden Textes und losgelöst vom Kontext eine Bedeutung transportieren.

Neben ideologisch stark belasteten Begriffen wie z.B. "Rasse", "Volk" oder "Reich" gibt es auch solche die zum Synonym für die menschenverachtende Politk der NS-Zeit geworden sind.
Dazu würde ich in jedem Fall die sog. "Endlösung" zählen.

Mir ist keine Verwendung dieses Wortes in einem anderen Zusammenhang bekannt.
Darüber hinaus macht die Verwendung des Begriffes "Endlösung" inhaltlich keinen Sinn, da
"Lösung" völlig ausreichen würde.
Es ist IMHO jedenfalls sehr naiv zu glauben man könnte ihn wertfrei benutzen.

Man kann sich jetzt natürlich beklagen, dass man sich durch solche Bedeutungsentwicklungen und Begriffsumdeutungen in der Benutzung der Sprache eingeengt fühlt und für sich in Anspruch nehmen einen Begriff "neutral" oder im reinen Wortsinne zu gebrauchen.

Dann muss man allerdings auch in Kauf nehmen, dass man bei seinem Gegenüber einen Eindruck von Unwissenheit, Naivität, Gedankenlosigkeit oder mangelndem Geschichtsbewusstsein hinterlässt.

Natürlich ist es jedem freigestellt sich so auszudrücken wie es ihm gefällt.

Der Hinweis darauf, dass auch alle anderen Wörter der deutschen Sprache von Nazis benutzt wurden, um daraus zu schlussfolgern das entweder alle Begriffe inkriminiert sein müssen oder keiner zeugt von einer gewissen Ignoranz.

Die Konventionen für Sprache sind meist informeller Natur, bieten also viel Raum für und
Interpretationen und auch Missverständnisse.
Dennoch glaube ich das es bei manchen Dingen einen gesellschaftlichen Konsens gibt resp. geben sollte.

Ich gebe Dir recht, das man sich nicht zu Wortklaubereien herablassen sollte.
Nicht jeder Fußballkommentator ist ein Kriegstreiber.

Auch möchte ich hier niemanden diskreditieren und ihm gar eine Gesinnung unterstellen bloß weil er dieses Wort oder jene Formulierung gewählt hat.

In der politischen Auseinandersetzung ist dies ja inzwischen üblich geworden, was der Sachdiskussion an sich einen Bärendienst erweist.
(Allerdings kann man in der Politik die Messlatte meiner Meinung nach deutlich höher anlegen, da man bei Politikern eine professionelle Auseinandersetzung mit ihrer Rhetorik und ihrem (Wahlkampf-) Vokabular voraussetzen sollte. )

Es geht mir nur darum für mehr Sensibilität bei der Benutzung von bestimmten Begriffen einzutreten.

Viele Grüße

Stefan Eickhoff (aka lulu)