Hallo Martin,
Eine schier endlose Zeitlang war es völlig selbstverständlich, dass die männliche Form im Deutschen auch geschlechtsneutral verstanden werden kann
Ja. Diese Sicht hatte ich eigentlich auch und fragte mich oft genug: warum zergendern diese Leute die Sprache bis zur Unverständlichkeit?
Bei etwas Nachdenken kommt man aber drauf, dass das eine typisch männliche Verständnisschwierigkeit ist, die aus einer Zeit stammen dürfte, wo die Gesellschaft aus Männern bestand und Frauen entweder Zuckerpüppchen oder Arbeiterinnen waren. Rechte gab es keine. Ich habe in den letzten Monaten beim Bahnfahren vier der fünf Münchmeyer-Romane von Karl May gelesen - in der originalnahen Fassung, wie die KMG sie online bereit stellt, und habe in diesen Texten ein Geschlechterbild dargestellt gefunden, dass es schon weh tat. Aber das war im 19. Jahrhundert noch ganz selbstverständlich so, weswegen May es so schilderte, und die Frauen kämpfen seitdem um ihre Gleichstellung. Für eine Frau, die auf eine solche Historie blickt, ist die Gleichsetzung "männliche Anrede = geschlechtsneutrale Anrede" ein Schlag ins Gesicht.
Immerhin bietet die deutsche Sprache weibliche Formen für die meisten männlichen Begriffe. Die Borissian Brexiteers hätten nicht mal die Worte für ein gendergerechte Sprache.
Rolf
sumpsi - posui - clusi