Hallo, zusammen!
Ich habe mich im Chat ausgetobt, nun kommt mal das, was nach längerem Nachdenken bei mir so 'rausgekommen ist.
Fangen wir bei der Wehrpflicht an: Die Tatsache _an_ _sich_, dass es überhaupt eine Wehrpflicht gibt, ist in meinen Augen ungerecht und sie würde niemals gerechter davon, dass Frauen dann auch dazu verpflichtet würden, "dem Vaterland zu dienen" - sei es nun als Soldatin oder als Zivine. Ich fand eigentlich schon immer, dass jede/r für sich entscheiden sollte und muss, ob und in welcher Form er/sie bereit ist, Zeit und - im Ernstfall sein/ihr Leben - dem Gemeinwohl zu opfern. Das ist das eine.
Das nächste ist die Tatsache, dass die Herren, die die Wehrpflicht festgeschrieben haben, Frauen von dieser Pflicht ausgenommen haben, weil Frauen ja Kinder kriegen und somit für das Bevölkerungswachstum sorgen; abgesehen davon waren diejenigen Herren, die das so festgelegt haben, ja noch in dem Sinne erzogen, dass eine Frau gefälligst zu Heim und Herd gehört. Das ist tatsächlich eine Diskriminierung. Wessen, ist Standpunktsache. Sucht's euch aus. Auf jeden Fall werden in diesem Fall Menschen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt und das dürfte aufgrund der Gleichberechtigungsgesetzgebung nicht sein. Also stimmt prinzipiell der Ansatz: das ist tatsächlich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Was mich stört, ist, dass die Begründung dieser Diskriminierung in dieser Art und Weise oft genug den Frauen in die Schuhe geschoben wird - und das, weil's grade so schön passt, noch mit ein paar Allgemeinplätzen als Zusatz, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten.
Vielleicht begreift ihr, was ich meine, wenn ich jetzt mal aus dem Buch "Das fliegende Klassenzimmer" von Erich Kästner zitiere:
"Schliesslich nahm ich ein Kinderbuch vor, das mir der Verfasser geschickt hatte, und las darin. Aber ich legte es bald wieder weg. Sosehr ärgerte ich mich darüber. Ich will euch auch sagen, warum. Jener Herr will den Kindern, die sein Buch lesen, doch tatsächlich weismachen, dass sie ununterbrochen lustig sind und vor lauter Glück nicht wissen, was sie anfangen sollen! Der unaufrichtige Herr tut, als ob die Kindheit aus prima Kuchenteig gebacken sei."
Hier geht's um die Kindheit - aber mit dem Stand der Ehefrau und Mutter sieht's nicht besser aus, glaubt es mir. Jeder, der am Wege steht und sieht, dass ich zwei wirklich goldige, süsse, liebe Söhne habe und einen mir in ehrlicher Liebe zugetanen Mann, tut, als müsste ich pausenlos vor Glück zerspringen.
Und wehe, wenn ich mal zu müde oder auch einfach zu faul bin, meinen Kindern einen Saft zu holen oder ein Butterbrot zu machen! Wenn meine lieben Mitmenschen mitbekommen, dass ich meinen Mann um so etwas bitte, heisst es gleich: "Ja, wieso denn? _Du_ bist doch die Mutter!" Und das im 21. Jahrhundert, Freunde. Die Tatsache, dass ich wegen der Leberflecken, derer ich vieler teilhaftig bin und deren einer bereits zum Melanom mutiert war, nicht, gar nicht, um keinen Preis an die Sonne darf, hat mir schon gar viel Herzeleid eingetragen. Denn selbstverständlich beschäftige ich eine nette junge Dame, die mit meinen Kindern Freunde heimsucht, auf Spielplätze geht oder Fussball spielt. Wie oft habe ich mir schon anhören müssen, dass das doch gar nicht nötig sei, eine Mutter finde _immer_ eine Beschäftigung für ihre Kinder. Als ob's damit getan wäre! Die Leute tun tatsächlich so, als sei die Mutterschaft, ebenso wie die Kindheit, "aus prima Kuchenteig gebacken". Eine Frau, die Kinder hat, hat gefälligst glücklich zu sein, basta.
Darüber, dass eine Schwangerschaft nicht gerade ein Zuckerschlecken ist, wird nicht geredet. Darüber, dass so manch eine Frau merkwürdig reagiert, wenn sie schwanger ist, umso mehr. Ich, beispielsweise, kriegte während beider Schwangerschaften das Würgen, wenn ich mich einer Fleischtheke nur auf zehn Meter näherte; ebenso, wenn irgendjemand mit Butterschmalz kochte. Und von Zigarrettenrauch wurde mir auch kotzübel, obwohl ich "im Normalzustand" durchaus rauch(t)e. Die Kommentare meiner lieben Mitmenschen waren nicht von schlechten Eltern. "Stell' dich nicht so an, du bist schwanger und nicht krank!" war da das mildeste.
Es spricht auch niemand darüber, dass - gerade in Deutschland - Mütter mit Säuglingen und kleinen Kindern von jetzt auf gleich in ihrem sozialen Umfeld tatsächlich ziemlich eingeschränkt sind. Wenn Bekannte zu Besuch kommen, reagieren sie ebenso genervt auf Kindergequengel wie die Gäste eines Restaurants, das man besucht. Dann kriegt mutter erst mal Unfähigkeit nachgesagt. Denn sie kann ja ihr Kind nicht zur Ruhe bringen. Was bleibt, sind Müttergemeinschaften, Krabbelstuben, Kinderturnen und ähnliche Vergnügen. Es vergehen tatsächlich einige Jahre, bis mutter wieder unter Leute gehen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Noch netter haben es diejenigen Frauen, die keine Kinder bekommen können oder wollen. Witzigerweise sehen diese sich einem enormen sozialen Druck ausgesetzt; häufig sind's die Eltern, die Enkelchen einfordern, auch Freunde und Geschwister schildern die Freuden des Mutterdaseins in den schillerndsten Farben. Oft genug hören kinderlose Frauen Sprüche wie "Jaaa, du kannst dir ja so ein Auto/so einen Urlaub/so ein Haus leisten - ihr habt ja keine Kinder!". Und das selbstverständlich mit dem entsprechenden leicht vorwurfsvollen Unterton.
Ich sage das alles jetzt übrigens nicht, weil ich etwa mich unwohl fühlte mit dem Leben, das ich habe. Ich weiss meine Kinder und auch meinen Mann durchaus zu schätzen, so ist es nicht. Es macht mir auch nichts weiter aus, zuhause zu bleiben und meinen Mann die Kohle 'ranschaffen zu lassen. Was mich aber ärgert, ist, dass von mir erwartet wird, dass ich mein Leben _deshalb_ als Schlaraffenland betrachten soll. Dass ich die Hausarbeit, die ich tue, als Mittelding zwischen Freizeitbeschäftigung und sportlicher Betätigung betrachten soll. Dass ich mir nicht anmerken lassen, geschweige denn sagen darf, dass meine Kinder mir den letzten Nerv rauben oder dass es mir zuviel ist, den ganzen Tag nur und ausschliesslich im Dienst der Familie zu verbringen. Dass ich es wage, auch noch andere Interessen zu haben, wird sowieso von meinem sozialen Umfeld als Unverschämtheit betrachtet. Und, verlasst euch drauf, ich bin da bestimmt nicht die einzige.
Und deshalb reagiere ich extrem genervt, wenn ich mir mal wieder anhören darf, dass männliche Wesen sich beschweren, weil ich aufgrund der biologischen Fähigkeit, Kinder zu bekommen mal den einen oder anderen Vorteil davon habe. Es _ist_ schön, eine Familie zu haben. Sogar wunderschön. Aber es hat Nachteile, ebenso wie das ständige Gerenne um's liebe Geld Vor- und Nachteile hat.
Ich denke, wir sind alle gleichmässig "arm dran" - nur eben auf unterschiedliche Weise. Aber spätestens dann, wenn eine/r aus dem festgefügten "Rollenspiel", das - Gesetze hin oder her - uns allen durch die Gesellschaft aufgeprägt wird, rauswill, und wenn's nur teil- oder zeitweise ist, wird's eng. Das ist nämlich gesellschaftlich einfach nicht vorgesehen und wird von denen, die die "Spielregeln" befolgen, mit Verachtung und üblen Kommentaren geahndet. Ich kann euch die Hausfrauenstory bieten. Vielleicht kommt ja noch die Hausmännerstory, die Karrierefrauenstorry, die Karrieremännerstory - wenn ihr Glück habt, kommt vielleicht sogar noch die Schwulen- oder Lesbenstory. Jeder, der sich nicht mit dem Einheitsleben zufriedengibt, das er vorgesetzt bekommt und sich wehrt, kassiert einen Anschiss von denen, die eigentlich auch nach ihrer Façon glücklich werden möchten, sich dem Druck von aussen aber beugen. Und das ist, denke ich, das eigentliche Problem. Wir brauchen wohl weniger gleiches Recht für alle als vielmehr Toleranz gegenüber allen.
In diesem Sinne
Fiele Griese
Stonie