Hi LanX!,
aber deine Argumentation hört sich so an als ob man primär Türkisch unterrichten müssen, damit Deutsch irgendwann richtig beherrscht wird.
Ich will es einmal an einem unschuldigen Beispiel erklären:
Wenn ein deutscher Schüler Englisch lernen soll und die Grammatik der eigenen Sprache nicht beherrscht, wird er früher oder später auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Ein Beispiel: Im ENglischen muss man zwischen verschiedenen Formen der Vergangenheit unterscheiden. Wie soll man das leisten, wenn man das in der eigenen Sprache nicht sicher kann.
Beispiel2: Im Englischen ist der zu häufige Gebrauch des Passivs ungebräuchlich. Einem Schüler, der im Deutschen sicher zwischen Aktiv und Passiv unterscheiden kann, erkläre ich das in einer Minute, wenn dies nicht der Fall ist, steht der Lerner vor einem komplexen Rätsel.
Da ist was dran, alleridngs stellt sich trotzdem die Frage, wieso es in Marocko möglich sein kann Schüler auszubilden die besser Französich sprechen, als es hier in D mit deutsch gelingt!
Du streust häufig Bemerkungen ein, auf die man nur mit längeren Ausführungen antworten kann. Marokko ist ein Land mit einem Vielvölkergemisch und einer kolonialen Vergangenheit. Man löst das Problem dort seit langem, indem jeder gebildete Mensch neben seiner Muttersprache intensiv Französisch lernt und dies auch im Alltag spricht.
Es hat etwas mit der Geschichte zu tun, dass das Land bei der arabischen Expansion nicht völlig arabisiert wurde, weil es den Eroberern attraktiver schien, sich über Gibraltar ins reiche Spanie zu bewegen, anstatt sich mit bei ungünstiger Geografie im marokkanischen Norden und Westen mit kriegerischen Völkern mit geringem Beutewert herumzuschlagen.
In Marokko ist es aus der Geschichte heraus nötig und Tradition, mehrere Sprachen zu beherrschen, um auf dem Markt von Marrakesch klarzukommen.
Problem in Frankreich ist kein sprachliches, sondern dass der Ghettoisierung der Sozialfälle in sterilen Plattenbauvorstädten die in den 60er massiv hochgezogen wurden. Sowas gibt's bei uns so nicht, und nicht nur die Mohammedaner dort stellen in den Banlieus ein Problem dar.
Ja richtig, ich finde die Romane Izzos (http://www.unionsverlag.com/info/person.asp?pers_id=1302) toll, der diese Probleme für Marseille darstellt.
Ich vermute bei den Russen hier ist es nicht viel anders.
Die Familien aus Russland sind häufiger bildungsorientiert, die Kinder haben eine gute schulische Vorbildung, wenn sie hierher kommen. Dennoch gibt es auch in diesem Bereich Probleme.
Dass ich solche Leute kenne? Doch, doch! Aber ich werde gerne nochmal nachfragen...
Ich untersuche das schon seit längerem. Wenn Du das feststellen willst, brauchst Du auf jeden Fall Hilfe. Es ist nämlich gar nicht so leicht festzustellen, wie gut jemand Türkisch kann und wie er Deutsch und seine Muttersprache gelernt hat.
Also ich diskriminiere bestimmt nicht Türkisch zugunsten von Italienisch oder ähnlichem, da bin ich schmerzlos. Allerdings seh ich es als problematisch an, türkischen Kurden, Zazas und anderen Minderheiten einen Türkischunterricht zu geben, den sie vielleicht gar nicht haben wollen.
Natürlich sollten solche Dinge Angebotscharakter haben und niemals Zwangscharakter.
Genausowenig wie ein Religionsuntericht zur Propagierung des Kemalismus herhalten sollte.
Der Kemalismus hat seine dunklen Seiten, aber in einigen Aspekten ist er genau die Karte, auf die ich setzen würde: Laizismus, Bildung, Auseinandersetzung mit dem Westen und später auch Industrialisierung. Diese Werte sind genau das, was moderne islamische Staaten von den rückwärtsgewandten unterscheiden.
PS: Offensichtlich berufts du dich bei deinen Thesen zum Sprachunterricht auf wissenschaftliche Untersuchungen, kannst du mir vielleicht einen Link geben?
Ich habe mich lange Jahre beruflich mit der Vorbereitung ausländischer Graduierter und Studenten auf ein Studium oder eine Dissertation in Deutschland beschäftigt. Gerade deshalb fällt es mir schwer, einen einzelnen Link zu nennen. Vielleicht googelst Du mal nach "Spracherwerb" oder "Zweitsprache", es gibt unendlich viel Material. Für mich zählt inzwischen die eigene Erfahrung auch deutlich mehr als theoretisches Material. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die den Lernerfolg prägen, ich nenne nur die wichtigsten:
1. Beherrschung der eignen Sprache, auch in theoretischer Perspektive (etwa Verfügung über grammatische Kategorien)
2. Schulische Vorbildung (vor allem in Hinsicht auf Lernstrategien und Lernfähigkeit)
3. Herkunftsland (phonetische und grammatische Unterschiede zwischen Muttersprache und Zweitsprache; gemeinsamer Wortbestand von Muttersprache und Zweitsprache; Qualität der Bildungseinrichtungen; Einstellung zum Lernen und zu Bildung; Einstellung zu anderen Kulturen; kulturelles Selbstbewusstsein)
4. Lernerfahrungen mit Fremdsprachen
5. Lebensverhältnisse des Lerners im Zielland
Viele Grüße
Mathias Bigge